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Heute: Besuch von der Polizei

Für heute hat sich die Polizei bei uns in der Redaktion angekündigt. Die Staatsanwaltschaft hat einen unserer Beiträge gesehen und ermittelt nun. Dazu soll heute unsere Autorin aussagen.

Für den Beitrag hatten wir u.a. verdeckt gedreht, außerdem haben wir natürlich die Namen aller potentiell Beschuldigten in unseren Akten, da wir allen – wie sich das gehört – Gelegenheit gegeben haben, Stellung zu nehmen. Und zu den Vorwürfen selbst haben wir neben dem Videomaterial natürlich auch weitere Belege.

Wie geht man damit um?

Nach kurzer Diskussion und Rücksprache mit einem Juristen haben wir unsere Linie gefunden: Die Kollegin sagt selbstverständlich aus; schützenswerte Quellen, die die Inanspruchnahme des Zeugnisverweigerungsrechts nahe legen würden, gibt es nicht. Das Rohmaterial und unsere Rechercheanlagen werden wir aber nicht herausgeben — das ginge zu weit, ein Schritt hin zum Hilfspolizisten. Mehr zu den Ermittlungen und etwaigen Ergebnissen später hier.

Schlecker

So schnell kann es gehen. Heute Morgen schrieb ich noch „Mehr zum Grundbuchauskunft in Sachen Schlecker sobald das OLG sich damit befasst.“. Heute Mittag rief unser Anwalt an, er habe gute Nachrichten aus Stuttgart. Demnach ist es völlig unstrittig, dass Journalisten in so einem Fall (Schlecker) Anspruch auf Einsicht haben.

Hier unsere Pressemitteilung zum Beschluss des OLG Stuttgart. Der Link zum Beschluss des Gerichtsurteils findet sich jetzt am Ende dieses Posts:

Credits: Die Anfragen beim Grundbuchamt haben für uns Sebastian Weis und Philipp Sümmermann gestellt.

Berlin, den 28. Juni 2012

Pressemitteilung

Journalisten steht Einsicht ins Grundbuch auch im Fall Schlecker zu

Journalisten haben auch im Fall Schlecker einen Anspruch auf Einsicht in das Grundbuch. Das hat das Oberlandesgericht Stuttgart gestern auf Antrag der Berliner Fernsehproduktionsfirma autoren(werk) entschieden (Aktenzeichen: 8 W 228/12).

Zuvor hatte das Grundbuchamt Ehingen einen Antrag von autoren(werk) auf Einsicht in das Grundbuch abgewiesen. Der hiergegen gerichteten Beschwerde hat das Oberlandesgericht durch Beschluss vom 27. Juni 2012 stattgegeben. Es hat das Grundbuchamt angewiesen, autoren(werk) Einsicht in das Grundbuch und bestimmte dort in Bezug genommene Urkunden zu gewähren.

Zur Begründung betonte das Oberlandesgericht das in diesem Fall gegebene besondere öffentliche Interesse. Liegt ein öffentliches Interesse vor, dürfen Medien
Einsicht in das Grundbuch nehmen. Dieses bestehe im Hinblick auf die betroffenen Arbeitnehmer, den Gesamtkomplex der Insolvenz der Schlecker Unternehmensgruppe und die Frage, ob Grundstücksübertragungen im Vorfeld der Insolvenz die Insolvenzmasse schmälerten. Die Produktionsfirma hatte darauf verwiesen das neben den Interessen der Angestellten auch die Interessen des Staates als Gläubiger Schleckers berührt seien. Finanzamt und Arbeitsagentur gehören mit 74 bzw. 250 Millionen zu den größten Gläubigern.

Das Gericht macht zudem deutlich, dass schon das Grundbuchamt Ehingen dem Einsichtsgesuch der Journalisten hätte entsprechen müssen und nicht, wie geschehen, auf Dritte, etwa den Insolvenzverwalter, verweisen durfte.

„Das Urteil ist wichtig für uns und andere Journalisten, da wir bei unseren Recherchen auf Primärquellen wie öffentliche Register angewiesen sind. Leider erleben wir es immer wieder, dass trotz einschlägiger Regelungen die Ämter von Ort zu Ort anders entscheiden.“ sagt autoren(werk)-Geschäftsführer Marcus Lindemann.

autoren(werk) recherchiert und produziert seit dem Jahr 2000 Dokumentationen, Reportagen und vor allem Magazinbeiträge für öffentlich-rechtliche Fernsehsender.
Aus dem Grundbuch ergibt sich, das hatte gestern bereits die „Bild“-Zeitung berichtet, dass das Grundstück erst 2009 von Anton an Christa Schlecker übertragen worden war und damit zu einem Zeitpunkt, als die Drogeriekette bereits in wirtschaftlichen Schwierigkeiten war. Damit kann das Privatanwesen der Familie möglicherweise der Insolvenzmasse zugerechnet werden.

Für Rückfragen steht Ihnen Marcus Lindemann (030/257619-0) zur Verfügung.

 

In Sachen Schlecker

Uns wird Einsicht ins Grundbuch verweigert

Mist! Bild kommt uns heute zuvor und berichtet, dass Schlecker das Privatanwesen 2009 auf seine Frau übertragen hat. Damit ist eine Recherche perdu, über die wir bislang nichts verraten konnten.

Wir haben vor Wochen schon beim zuständigen Notar in Ehingen angefragt – nachdem unser Volontär dort erfuhr, dass er bislang der einzige (!) Journalist sei, der angefragt habe, stand für uns relativ schnell fest, dass wir das auch juristisch weiterverfolgen wollen. Als Belohnung für den Aufwand lockte die dann erstmal exklusive Information, wann Anton Schlecker das Anwesen in Ehingen auf seine Frau übertragen hat.

Am 15.6. wurde uns dann schriftlich die Einsicht ins Grundbuch verwehrt, nachdem wir nochmals ausführlich und  schriftlich angefragt haben. Wir haben uns dabei auch auf das Wulff-Urteil berufen und darauf, dass in anderen Fällen andere Grundbuchämter uns auch so Einsicht gewähren – bei unstrittig geringerem öffentlichen Interesse.

Unsere Anwälte haben dann gleich am Montag (18.6.) Beschwerde eingelegt und noch einmal ausführlich begründet, warum uns diese Auskunft zusteht. Diese Beschwerde wurde dann am 21.6. zurückgewiesen
Nun soll das OLG Stuttgart entscheiden, ob Journalisten in diesem Fall ein Auskunftsrecht zusteht. Aus Grundsatzüberlegungen verfolgen wir das aber weiter – in der Hoffnung, dass Journalisten es künftig in ähnlichen Fällen leichter haben.

Gestern kam uns nun die Bild-Zeitung zuvor und berichtete, dass das Haus 2009 übertragen wurde, als Schlecker bereits wirtschaftliche Probleme hatte. Neben dem Bericht finden sich auch links zu den Übertragungsverträgen und den zugehörigen Handelsregisterauszügen.
http://www.bild.de/geld/wirtschaft/schlecker/so-brachte-pleite-schlecker-seine-millionen-beiseite-24866188.bild.html

Unserer Erfahrung nach ist das ein typisches Beispiel wie auf auf lokaler/regionaler Ebene der journalistische Auskunftsanspruch nach dem jeweiligen Landespressegesetz ignoriert wird. Ähnliche Erfahrungen machten wir in großem Stil mit den Vereinsregistern.

Über 30 über ganz Deutschland verteilte Vereinsregister sollten uns dieselben Fragen beantworten – die Reaktionen zeigen, wie uneinheitlich das in Deutschland gehandhabt wird: Während wir von einigen die Auskünfte telefonisch oder nach kurzer schriftlicher Anfrage erhielten, reagierten andere erst nachdem wir auch hier unsere Anwälte beauftragt hatten, in einem freundlichen Schreiben auf die Rechtslage hinzuweisen.

Das half in vielen Fällen, in anderen wurde die Auskunft nach wie vor verweigert. Da wir den dahinter stehenden Prozess indes gewonnen haben, haben wir das nicht weiter verfolgt.

Mehr zum Grundbuchauskunft in Sachen Schlecker sobald das OLG sich damit befasst.